-Station III
Bremerhaven

Zurück im Heimathafen

Nach 51 Tagen auf See sind wir heute in den Morgenstunden wieder in Bremerhaven eingelaufen. Es waren ereignisreiche Wochen; unsere Arbeiten haben uns über die östliche Framstraße gen Norden geführt, immer wieder zurück zu ausgewählten Eisschollen in der Meereisrandzone. Wir haben einen Abstecher zum Aurora Hydrothermalfeld gemacht und unsere letzten Arbeitsgebiete lagen entlang der Ostküste Grönlands. Hinter uns liegen über 5800 zurückgelegte Seemeilen und 38 Tage mit Nebel. Wir haben 119 wissenschaftliche Stationen abgearbeitet, bei verschiedenen Eisarbeiten insgesamt 118 Stunden Eisbärenwache gehalten und über die Zeit unzählige Liter an Kaffee geleert. Insgesamt können wir die Expedition sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus der gemeinschaftlichen Sicht als Erfolg bezeichnen und auch wenn sich jetzt natürlich jeder auf Zuhause freut, planen wir bereits die ersten Wiedersehenstreffen, um zu hören, wie es den anderen ergeht.

Von Eisbergen und Eisbären

Die letzten Tage unseres wissenschaftlichen Programms haben wir im grönländischen Scoresby Sund verbracht. Da die Eis- und Wetterbedingungen die eigentlich geplante Fahrt zum 79 Nord-Gletscher verhindert haben, haben wir stattdessen die Gelegenheit genutzt, um im Scoresby Sund Verankerungen nach einer vierjährigen Betriebsdauer zu bergen. Die gigantischen Eisberge und über tausend Meter hohen Berge des Fjordsystems waren eine passende und beeindruckende Kulisse zum Schluss unserer Reise! Nachdem das letzte Arbeitsgerät – eine Messung mit der CTD – wieder an Deck war, hat sich die Arktis auf ganz eigene Art von uns verabschiedet: Auf einmal haben wir einen Eisbären entdeckt, der gemütlich hinterm Heck unseres Schiffes langgeschwommen ist und uns neugierig beäugt hat. Nun steht die Heimreise mit Packen und Aufräumen an, bevor wir Mittwoch in der Früh wieder in Bremerhaven einlaufen.

Ausflug zu Aurora

Wer unseren Kurs aufmerksam verfolgt hat, dem ist nicht entgangen, dass wir einen fünftägigen Abstecher nach Nordwesten ins dichte Eis unternommen haben und bei knapp 83°N den nördlichsten Punkt unserer Reise erreicht haben, direkt am Gakkelrücken. Hier befindet sich ein aktiver Spreizungsrücken, an dem laufend neuer Meeresboden gebildet wird. Der Grund für unsere Reise lag dieses Mal nicht an der Meeresoberfläche, sondern 4000 Meter tief am Meeresboden, wo wir acht Seismometer ausgebracht haben. Sie liegen nun für ein Jahr am Meeresboden und zeichnen winzige Erdbeben in der Nähe der sogenannten Hydrothermalquelle Aurora auf. An der Quelle strömt heißer, schwarzer Rauch aus und unsere hochempfindlichen Seismometer können dabei fühlen, wo und wie sich Magma im Untergrund bewegt. Auch wo Bruchzonen sind, entlang derer sich Wasser durchs Gestein bewegt, aufheizt und mit seiner Fracht an gelösten Stoffen wieder an den Meeresboden gelangen kann, können wir das nächste Jahr über mit unseren Geräten aufzeichnen.

Maria S. Merian

Zu einem ungewöhnlichen Treffen kam es in der Nacht zu Mittwoch, kurz bevor wir in die beeindruckende Kulisse des Scoresby Sunds eingefahren sind. Mitten auf der Grönländischen See begegnete uns ein weiteres deutsches Forschungsschiff: die Maria S. Merian, assoziiert mit dem Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde. Bei der aktuellen Reise MSM110 sind Forschende vom Helmholtz-Zentrum hereon, Geesthacht, auf der Merian zu Hause und untersuchen unter der Fahrtleitung von Helmuth Thomas die Einflüsse von Gletschereinträgen und mögliche Kipppunkte in den Klimaprozessen hier in den Fjorden. Bei unserem Treffen konnten die Kapitäne, unmittelbar vor der Küste Grönlands, von Brücke zu Brücke ein paar Worte austauschen und es wurde abschließend grüßend das Schiffshorn eingesetzt, bevor wir wieder unseren Forschungsaufträgen nachgegangen sind.

Wolkige Aussichten

Einen ganz besonderen Platz auf der Polarstern haben sich Sabine, Philipp und Arun für ihre atmosphärischen Messungen ausgesucht. Auf der vordersten Spitze des Bugkrans haben wir ein Messsystem für Aerosolpartikelflüsse installiert, das uns ermöglicht direkt über den Eisschollen Messungen durchzuführen. Obwohl Aerosole nur nanometer-kleine Partikel sind und für das menschliche Auge nicht sichtbar, haben sie einen großen Einfluss auf das Klima und die Wolkenbildung. Je nach chemischer und physikalischer Beschaffenheit können sie Licht absorbieren oder auch zur Wolkenbildung beitragen. Die Ergebnisse dieser Messungen sollen zum besseren Verständnis der Bildung und der Deposition von verschiedensten Aerosolpartikeln beitragen und sollen zeigen, wie die arktischen Eis- und Wasserflächen im Sommer zum Aerosolhaushalt der Atmosphäre beitragen und somit das Klima in der Arktis beeinflussen.

Spieglein, Spieglein überm Eis

Ganz oben auf dem Peildeck der Polarstern stehen unsere zwei Mikrowellenradiometer: Damit messen wir – ein kleines Team der Uni Bremen und Uni Köln – die Strahlung, die die Atmosphäre als Mikrowellen aussendet. Hieraus können wir dann die Temperatur und Luftfeuchtigkeit in bis zu zwölf Kilometer über unseren Köpfen bestimmen. Mit diesen Instrumenten und zusätzlichen Wetterballons konnten wir bereits vor einiger Zeit den Einstrom von warmen, feuchten Luftmassen aus dem Süden bis zur Polarstern beobachten. Sie brachten erstaunlich hohe Temperaturen von bis zu 18 °C in die Arktis. Allerdings nicht ganz in Bodennähe, sodass es für uns an Deck kühl war und die warmen Jacken angezogen blieben! Unsere Radiometer schauen nicht nur nach oben: Mithilfe einer neuen Spiegelkonstruktion schauen wir auch nach unten auf das Meereis. Das ist eine ähnliche Perspektive wie die von Satelliten, die an einem Tag die gesamte Arktis beobachten können. Unsere Messungen hier vor Ort helfen uns dann, Satellitendaten besser auszuwerten.

Das Rückgrat der Expeditionsarbeit

Die Deckscrew steht rund um die Uhr der Wissenschaft mit Rat und Tat zur Seite. Jeden Tag aufs Neue trifft sich das Team, welches aus dem Bootsmann, einem Zimmermann und acht Schiffsmechaniker:innen besteht, auf dem Arbeitsgang und bespricht den Tagesablauf. Dabei koordinieren der Chief Mate und der Bootsmann mit ihrem Know-how die Herangehensweise an die geplanten Aufgaben. Neben Instandhaltungsarbeiten umfassen diese zum Beispiel das Ausbringen der wissenschaftlichen Geräte, Verankerungsarbeiten und seemännische Aufgaben. Mit Flexibilität und Improvisationstalent trägt das Decksteam der Polarstern zum Erfolg der Expedition bei.

Warten auf ein Wetterfenster

Ein ständiger Begleiter und dadurch auch zeitweise limitierender Faktor bei Expeditionen in der Arktis ist das Wetter. Mit an Bord sind deswegen der Meteorologe Patrick und Wettertechniker Christian vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Die beiden sind unter anderem verantwortlich für eine zweifach am Tag aktualisierte Wetterprognose, welche der Schiffsführung sowie den Wissenschaftler:innen bei der Planung und Entscheidungsfindung helfen soll. Besonders intensiv ist die Betreuung des bordeigenen und wetterabhängigen Helikopterteams. Bisher zeigte sich das Wetter von seiner ruhigen Seite, was nicht unüblich für die Sommerjahreszeit ist. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt kann jedoch dichter Nebel ein lästiger und häufiger Zeitgenosse werden. Dazwischen konnten die Expeditionsteilnehmenden aber auch ein paar sehr schöne und sonnige Tage genießen, welche zugleich intensiv als Fenster für Helikopterflüge genutzt wurden.

Pond Nemo

Ein Teil unserer Eisarbeiten ist die Untersuchung von Schmelztümpeln auf dem arktischen Meereis. Die Bildung von Wasser durch Schmelzprozesse auf dem sonst stark reflektierenden Eis sorgt dafür, dass Reflektion gehemmt und Absorption der Oberfläche verstärkt wird. Dies führt zu einer Erwärmung, die wiederum eine verstärkte Schmelze verursacht. Dieses sich selbst verstärkende Phänomen wird Eis-Albedo-Rückkopplung genannt und spielt eine wesentliche Rolle bei der rasanten Erwärmung der Arktis. Um genau dies zu untersuchen, ist unser „Böötle“ mit an Bord, welches Victor während der Eisarbeiten über die Wasserflächen steuert. Das Böötle ist eine schwimmende Messplattform, die die spektralen Eigenschaften sowie die Tiefen der Schmelztümpel misst. Natürlich muss jeder untersuchte Tümpel anschließend getauft werden. Der hier abgebildete hat von Victor den passenden Namen „Pond Nemo“ erhalten.

Grüße vom Eisbären

Am Montagabend war es soweit und wir haben rund 90 Seemeilen vor Grönlands Küste unsere ersten Eisbären während dieser Expedition gesehen. Als gerade die ersten von uns beim Abendessen saßen und auf dem Arbeitsdeck Verankerungsarbeiten beendet wurden, kam die Durchsage: „Der Eisbär ist da“. Es war sogar direkt eine Mutter mit ihrem Jungen, die wir durch unsere Ferngläser beobachten konnten. Und aus sicherer Entfernung konnten wir von Bord aus die Begegnung genießen und die arktischen Giganten bewundern.

Von 70° Süd bis 81° Nord

Klaus ist unser Schiffsarzt und ist für alle medizinischen Fragen und die Betreuung von Notfällen mit an Bord verantwortlich. Es mag zwar seine erste Polarstern-Fahrt sein, aber noch lange nicht seine erste Reise in polare Gebiete. Als gelernter Unfallchirurg ist Klaus im Winter 2019 zur Überwinterung zur Neumayer-Station III aufgebrochen, der Antarktis-Station des Alfred-Wegener-Instituts. Dort wird der Stationsarzt zusätzlich mit der Stationsleitung betraut und er hat fleißig Beiträge für den Neumayer-Blog verfasst. Von der Antarktis angetan, ist Klaus im November 2021 für ein paar Monate an der Kohnen-Station weiter landeinwärts gewesen. Und jetzt ist Schiff gegen Station getauscht, Arktis anstatt Antarktis. Erster Eindruck? Weniger zusätzliche Aufgaben, dafür mehr Patienten. Und er freut sich, dass die erste Fahrt wieder in weiße Eislandschaften geht, an die er sich schon so gewöhnt hat.

Polartaufe erfolgreich bestanden

Am Samstag hatten wir die Gelegenheit, ein neues Messsystem zum ersten Mal überhaupt im eisbedeckten Ozean einzusetzen. Das sogenannte Triaxus ist ein Schleppsystem, welches bei langsamer Fahrt hinter dem Schiff durch das Wasser gezogen wird. Um den Einsatz im Meereis zu ermöglichen, wurde das Gerät am AWI durch ein Eisschutzsystem erweitert. Mit verschiedenen Sensoren am Triaxus und dazu parallel laufenden Messungen auf der Polarstern war es uns nun möglich, über eine 85 Kilometer lange Strecke durch die Eisrandzone die oberen 150 Meter der Wassersäule detailliert zu vermessen. Durch aufziehenden Nebel und einer Sicht bis nur noch 100 Metern mussten wir das Gerät dann nach neun Stunden Einsatzzeit bergen. Nun wartet es an Deck auf seinen nächsten Einsatz.

Eisstation

Wir wollen verstehen, wie die Eisschollen im Sommer zerfallen und schmelzen. In den letzten drei Tagen standen hierfür Beprobungen auf drei Eisschollen an. Es wurden Messbojen installiert, Eisdickenkartierungen vorgenommen und Schmelztümpel untersucht. Zudem wurde eine Reihe von Löchern durch das bis zu zwei Meter dicke Eis gebohrt, um Messungen der ozeanischen Wärmeflüsse und der Schmelzwasserverteilung unter den Eisschollen vorzunehmen. Der für diese Jahreszeit typische Zerfall der Schollen vollzog sich eindrucksvoll schnell während unserer Arbeiten auf der zweiten Scholle, die in Folge der einlaufenden Dünung in mehrere Teile zerbrach. Von Polarstern aus konnten wir später beobachten, dass viele Schollen dasselbe Schicksal erlitten hatten.

Polarstern von oben

Wie bereits erwähnt, nehmen wir auf dieser Expedition nicht nur Wasserproben und Eiskerne, sondern untersuchen das Meereis auch aus der Luft. Von dem diesjährigen Expeditionsteam sind es zum Beispiel Lena und Gunnar, die, sobald das Wetter es zulässt, mit dem Heli-Team über die Eisschollen fliegen. Mit an Bord haben sie Kameras und einen Laserscanner, um das Meereis zu dokumentieren und die Oberflächenstruktur und die Temperatur des Eises zu messen. Dabei kommen sie auch in den Genuss, die Polarstern mal aus einem neuen Blickwinkel zu sehen – von oben. Das Foto zum Beispiel ist auf einem Testflug auf dem Weg Richtung Eis entstanden.

Im Eis angekommen

Endlich wird unsere Polarstern ihrer Funktion gerecht und wir schieben uns seit der Nacht auf Dienstag Stück für Stück durch die ersten Eisschollen. Nachdem wir unsere Arbeiten im östlichen Teil der Framstraße erfolgreich abgeschlossen haben, sind wir anschließend Richtung Meereiskante aufgebrochen. Hier, in der Übergangszone zwischen dichtem Packeis und offenem Ozean liegt eines unserer Hauptforschungsgebiete dieser Expedition. Die kommenden Tage werden verschiedene Teams auf den Schollen Messgeräte aufbauen, Meereisproben für biologische Analysen nehmen und wenn das Wetter mitspielt, das Meereis mittels Helikopterflügen auch aus der Luft studieren.

Nachtschicht

Unter schwierigen Wind- und Strömungsverhältnissen und mit bestem Blick auf das 60 Kilometer entfernte Spitzbergen, konnten drei Verankerungen erfolgreich geborgen sowie ein Ersatzteil von der AWIPEV-Station per Hubschrauber eingeflogen werden. In den Nächten vorher und nachher wurden vom Schiff aus gefierte Geräte eingesetzt, um die Wassersäule zu erforschen. Es wurden verschiedene Netze eingesetzt, physikalische Parameter wie Temperatur und Salzgehalt aufgezeichnet und Wasserproben aus verschiedenen Tiefen des Westspitzbergenstroms genommen. Für mein Team – das Nährstoffteam hier an Bord – ist somit Nachtschicht angesagt. Sobald der Wasserschöpfer wieder an Deck ist, nehmen Sinhué, Annika und ich, Klara, Wasserproben und analysieren sie in unserem Labor auf ihren Sauerstoff- und Nährstoffgehalt. Ziel unserer Arbeit ist es, die Verteilung der Nährstoffe zwischen den verschiedenen Wassermassen zu untersuchen und wie sich ihre Konzentration im atlantischen Wasser von der Framstraße hin zur weiter nördlich liegenden Meereiskante verändert.

Tief verankert

Die ersten Stationen unserer Ausfahrt liegen im sogenannten Westspitzbergenstrom in der Framstraße – einer Strömung, die warmes Atlantikwasser Richtung Norden in die Arktis transportiert. Seit über zwanzig Jahren bringen wir hier Verankerungen ein und aus: lange Seile, die mit Ankersteinen am Meeresboden fixiert sind und an denen in unterschiedlichen Tiefen Sensoren und Probennahmegeräte angebracht sind. Zwei Jahre lang messen die Geräte stündlich Strömungsgeschwindigkeiten und Temperaturen der Wassersäule oder sammeln Wasserproben für spätere biologische Analysen. Die Verankerungen machen es uns somit möglich, Messdaten des gesamten Jahresverlaufs zu untersuchen – und somit auch während der Winterzeit, aus der es aus den polaren Gebieten bis heute nur wenige Daten gibt.

Unboxing

So langsam füllen sich die Labore und Arbeitsräume mit Leben. Über Wochen wurden zu Hause mühsam Kiste für Kiste gepackt und Frachtlisten geschrieben, vom Messgerät bis zum wasserfesten Stift muss alles selbst mitgebracht werden. An Bord geht erstmal die große Suche los – in welchem Container stehen unsere Boxen? In welcher Kiste liegt noch gleich welches Kabel? Doch schon innerhalb eines Tages haben sich leere Räume in brauchbare Labore verwandelt und die Kartonberge werden langsam kleiner. Jetzt müssen die Geräte eingerichtet und kalibriert werden, so dass wir hoffentlich zur ersten Station in ein paar Tagen einsatzbereit sind.

Gen Norden

Es geht wieder los: Nach einem kurzem Werft-Aufenthalt startet Polarstern in ihre Arktis-Saison und heute sind endlich wir Wissenschaftler:innen und Techniker:innen an Bord gegangen. In den nächsten sieben Wochen werden wir unter anderem das Zusammenspiel zwischen Ozean und Gletscher vor Grönland untersuchen, Studien zur Meereis-Schmelze nördlich von Spitzbergen durchführen und Geräte zu seismologischen Messungen im Aurora Vent-Feld ausbringen. Während des Transits nach Norden steht für uns aber erstmal auspacken, Geräte in den Laboren aufbauen und sich an die See gewöhnen auf dem Plan. In dieser App halten wir euch auf dem Laufenden und berichten von unserer Reise.